"Das Einzige, was ich kann, ist Segeln."

Der langjährige Profisegeltrainer Malte Philipp steht der Jugend des ZSV ab 2021 während ca. 40 Tagen als Trainer zur Verfügung. Weshalb er gerne mit Kindern arbeitet, welche Schwerpunkte er setzt, wie es zur Zusammenarbeit mit dem ZSV kam und weshalb er als Norddeutscher von den Schweizern bereits jetzt begeistert ist, erzählt er uns im Interview.

Hi Malte, wer bist du und wie ist es zur Zusammenarbeit mit dem ZSV gekommen?

Zu mir: Das Einzige, was ich kann, ist Segeln (lacht). Ich war selber lange Jahre im Leistungssport unterwegs, bis ein Autounfall mit 25 das abrupt beendete. Ich war damals an der Uni, habe dann aber so nach und nach in die Trainerschiene gewechselt, weil das einfach praktische Arbeit war und mir gefallen hat. Ich habe dann vier Jahre in Istanbul gelebt und dort für die olympischen Spiele in Sydney 2000 und in Athen 2004 die türkische Nationalmannschaft betreut. Danach war ich fünf Jahre lang Chefbundestrainer des deutschen Segelverbands und habe dort die Spiele 2008 in Peking mit vorbereitet. 2012 war ich mit den Kanadiern in London mit Laser Radial und jetzt arbeite ich bereits wieder seit fünfeinhalb Jahren mit den Türken zusammen.

Die Zusammenarbeit mit dem ZSV ist eine witzige Story: Thomas Piesker, ein guter Freund von mir, arbeitet für als Youth Team and Talent Pool Head Coach für den Segelverband Swiss Sailing. Mit ihm habe ich vor etwa einem Jahr einen Kaffee getrunken und da haben wir so übers Leben geplaudert und sind dann darauf gekommen, dass es früher auch ganz schön war, als man noch mit Kindern gearbeitet hat. Ich arbeite auch heute mit Kindern in Istanbul, aber eher aus einer Management-Perspektive und nicht mehr so unmittelbar. Und mir fehlt der direkte Kontakt zu Kindern, denn das hat mir immer sehr Spass gemacht und war auch immer eine sehr dankbare Aufgabe. Und dann haben wir halt so darüber gequatscht, dass das doch schön wäre, wieder mal etwas in diese Richtung zu machen – aber einfach, wie man halt so daherredet, wenn man Langeweile hat und einen Kaffee trinkt. Ein paar Monate später rief er mich an und fragte, ob das denn ernst gemeint war mit den Kindern. «Na klar, logisch ist das ernst gemeint.», sagte ich, woraufhin er meinte, dass er dann vielleicht etwas für mich hätte. Dann hat er den Kontakt zu Theresa Lagler hergestellt – und so ist das entstanden. Wir haben uns im Herbst im Trainingslager am Gardasee dann persönlich kennengelernt und geschaut, ob die Chemie stimmt. So haben wir uns dann geeinigt, dass wir das gerne in diesem Rahmen miteinander versuchen wollen.

Welchen Umfang haben deine Trainingsaktivitäten mit dem ZSV und was versprichst du dir davon?

Ich werde bei den Trainingslagern dabei sein und auch sonst da, wo sich interessante und wichtige Events abspielen. Angedacht sind ca. 40 Trainingstage im Jahr. Auch wenn man in 40 Tagen nicht die Welt umkippen kann, bin ich überzeugt, dass man einen Unterschied sehen wird.

Welchen Fokus setzt du bei der Ausbildung?

Es gibt, wenn man mit Kindern arbeitet, immer zwei Möglichkeiten: Man kann Gas geben ohne Ende und die Kinder wirklich zu Erfolgen führen. Das ist gar keine Hexerei, das funktioniert, man muss einfach die Trainingsumfänge krass erhöhen, man muss die Intensitäten erhöhen – meist kommt da auch richtig etwas raus. Ich habe das selber so gemacht, als ich noch ein jüngerer Trainer war, und das war durchaus erfolgreich. Die spannende Frage ist aber: Was kommt danach? Und was hilft den Kindern wirklich weiter im Leben? Und da vertrete ich mittlerweile eher die Philosophie zu sagen: Ja, lass uns die Kinder zu kompletten Seglern ausbilden, also technisch, taktisch, strategisch, meteorologisch. Diese Dinge müssen sie kennen und auch alles können. Aber lass sie nicht ausbrennen mit 100 bis 150 Wassertagen im Jahr, sodass sie nur noch Segeln sehen und sonst gar nichts mehr. In der Regel verschwinden diese Kinder nach dem Opti und haben keine Lust mehr. Denn irgendwann beginnt das «richtige» Leben: Man interessiert sich fürs andere Geschlecht, mit der Matura wird auch die Schule noch viel wichtiger, usw. Das sind dann die Momente, in denen all die Kinder, die so wahnsinnig gepusht wurden, als sie jung waren, einfach verschwinden. Welcher Opti-Weltmeister wird an den olympischen Spielen in Tokio teilnehmen? Mir ist keiner bekannt. Welcher Opti-Weltmeister hat an den Spielen in Rio teilgenommen? Mir ist nur einer bekannt.

Die Kinder sollen eine solide Grundausbildung erhalten, sodass sie gute Segler werden, aber es soll nicht überzogen werden. Es geht vor allem auch um eine allgemeine Persönlichkeitsentwicklung, nicht nur um das, was sie im Boot bringen, sondern das ist auch eine generelle Ausbildung: Wie bewegt man sich an Land? Höflicher, vernünftiger Umgang miteinander, das gehört einfach dazu. Bei mir können und sollen sie sowas auch lernen. Insofern: Wer sich meinen Lebenslauf anguckt, der denkt vielleicht, dass ich komme, um für olympische Medaillen zu pushen. Das ist aber bei Kindern nicht der Fall. Mir geht es wirklich um eine solide Grundausbildung für die Kinder, damit sie am Opti Freude haben.

Kann man also sagen, dass du nicht nur ein Trainer sein willst, sondern wirklich ein «Mentor»?

Ich habe diesen Begriff so selbst noch nicht verwendet, aber das trifft es eigentlich genau. Das ist ja rundum eine Persönlichkeitsentwicklung, die die Kinder durchlaufen. Und ich will sie begeistern für den Segelsport und auch all die Benefits, die der Sport bringen kann. Man lernt beim Segeln extrem viel, das man im «echten Leben» brauchen kann. Und so gibt man ihnen die Möglichkeit, selber zu entscheiden: Wer später mehr will, der kann auch mehr Gas geben. Und wenn sie das nicht wollen, dann gehen sie zumindest mit einem Lächeln und guten Erinnerungen ins Leben.

Du hast in vielen Ländern und viele Teams trainiert – wie war dein erster Eindruck der Schweizer?

Ich muss den Schweizern ein Kompliment machen. Was mir am Gardasee direkt aufgefallen ist, und ich war bis zum letzten Tag fasziniert davon, ist, mit welcher Ruhe, Höflichkeit und mit welchem Respekt man miteinander umgeht. Das bin ich nicht gewohnt, das muss ich ehrlich sagen. Positiv beeindruckend. Bereits die Kinder gehen sehr respektvoll miteinander um. Das sind sehr gute Vorzeichen für eine erfolgreiche Zusammenarbeit. Ich freue mich sehr darauf, dass es dann im Frühjahr losgeht.

Red: MS